Es waren nur Wenige – Versuche zu widerstehen
... Einer von ihnen war der Amtsgerichtsrat Lothar Kreyßig (1898–1986) … Im Gegensatz zu allen anderen Richtern und Staatsanwälten prangerte er die Euthanasie in einem Brief am 8. Juli 1940 an … »Ein Führerwort schafft kein Recht«...
Der evangelische württembergische Landesbischof Theophil Wurm (1899– 1953) protestierte im Juli 1940 als erster deutscher Bischof in einem Schreiben an den Reichsinnenminister gegen das sogenannte »Euthanasie«-Programm der Nationalsozialisten. … In der evangelischen Kirche in Deutschland steht vor allem ein Name für Zivilcourage im Widerstand gegen die NS-»Euthanasie«-Maßnahmen: Pastor Paul Gerhard Braune (1887–1954). … und gleichzeitig sammelte er systematisch alle nur möglichen Informationen über die Aktion T4.
Diese bildeten die Grundlage für eine zehnseitige »Denkschrift zur Lage der nichtarischen Christen«, die er im Juli 1940 an Hitler richtete. …Zum Schluss der Denkschrift stellte er fest: »Es handelt sich hier also um ein bewusstes planmäßiges Vorgehen zur Ausmerzung aller derer, die geisteskrank oder sonst gemeinschaftsunfähig sind.«
Pastor Braune hatte offensichtlich die Hoffnung, diese Situation noch verändern zu können: »Mögen die verantwortlichen Stellen dafür sorgen, dass die unheilvollen Maßnahmen aufgehoben werden…«
Clemens von Galen(1878–1946), seit 1933 Bischof von Münster, hatte sich bereits vor seiner Bischofsweihe sehr deutlich gegen den Nationalsozialismus und dessen Rassenlehre ausgesprochen und verlangte, dass die katholischen Bischöfe lauter gegen die NS-Ideologie auftreten sollten.
… Bernhard Lichtenberg (1875–1943) … Nach den Novemberpogromen 1938 gegen Juden und Christen jüdischer Abstammung, die er als einziger Priester in Deutschland öffentlich anprangerte, betete Lichtenberg jeden Sonntag in der Kirche St. Hedwig für die Verfolgten, gleich welchen Glaubens. Im August 1941 nahm er die Rede des Bischofs in Münster zum Anlass und protestierte in einem Schreiben an »Reichsärzteführer« Conti gegen die systematische Ermordung unheilbar Kranker und geistig oder körperlich Behinderter.
Krankenhausseelsorge – Was wussten die Kirchen?
Es gab in beiden christlichen Kirchen … mutige Einzelne, die sich widersetzten und entsprechend ihrer Überzeugung öffentlich handelten. Aber die Kirchen als Ganzes … versagten … umfassend, angesichts der an den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft begangenen Verbrechen.
Euthanasiemorde und katholische Seelsorge im Krankenhaus Wuhlgarten Dr. Bernhard Dalkmann
Gab es katholische Seelsorge im Krankenhaus Wuhlgarten? Diese Frage kann eindeutig bejaht werden. Und was wußte der zuständige katholische Seelsorger über die Euthanasiemorde? Diese Frage ist nicht mit einem Satz zu beantworten anhand der Quellenlage…
…der Pfarrer durfte die umgewandelte Anstalt ab 1941 nur noch selten und nur auf ausdrücklichen Wunsch eines Patienten oder Bewohners betreten. Er hatte Kenntnis »von der Verschickung fast aller Epileptiker«, war allerdings der Überzeugung, dass die Anstalt Wuhlgarten danach ein normales »Krankenhaus und zugleich Altersheim für alte Leute geworden ist.« … »Seit dem späten Frühjahr 1941 fehlten bekannte Gesichter in den Kirchenbankreihen und die Anzahl der Fernbleibenden stieg. Man sprach von Verlegungen in andere Einrichtungen, weiteres wurde nicht mitgeteilt…« … »…wegen des Fehlens etlicher bisheriger Gottesdienstbesucher« [sprach Ministrant Gerhard Wahlicht] seinen Pfarrer an. »Kurt Sahm nannte mir nur die offizielle Version: ›Wegen zu erwartender Luftangriffe auf die Reichshauptstadt Berlin gäbe es Patientenverlegungen, um Bettenkapazitäten für mögliche Verwundete freizubekommen.‹ Er ermahnte mich, Vorsicht walten zu lassen. Mit anderen Personen gab es darüber keinen Gedankenaustausch.«
Das »Nicht-Wissen« der Kirchen Dr. Thomas Beelitz
1 … beide Kirchen [setzen sich] ab 1945 in Eingaben und Initiativen für »die Fortsetzung« (!) der seelsorglichen Betreuung … ein. Doch was haben die Kirchen konkret am Ort vorher gemacht?! Die konkrete Rolle der Kirchen am Ort ist bisher tatsächlich erschreckend unbekannt! …
Andererseits jedoch muss das Nicht-Wissen (-Wollen) vielleicht nicht so überraschen. Im Allgemeinen und bis heute wird seitens der Kirchen grundsätzlich Abstand gehalten zu dem, was in Krankenhäusern geschieht …
2 Auf dem Hintergrund der Gleichschaltung der evangelischen Gemeinden … mit dem nationalsozialistischen Staat wird man jedoch stutzig … Allerorten hatte in den Gemeinden analog zur »Macht-Übergabe« an den »Führer« Adolf Hitler die »Glaubensübergabe« an die nationalsozialistische Weltanschauung stattgefunden …
Als sich der nationalsozialistische Staat stark genug fühlt, verändert er seine Kirchenpolitik und zieht sich aus den Kirchengemeinden zurück: Sie hatten ihre Nützlichkeit erfüllt…
3 … der weltweit einmalige Krankenmord von Seiten verantwortlicher Amtsbrüder wurde mit Hilfe der eigenen Religion um- und weggelogen. »Nie hatte ein Kulturvolk versucht, in einer planmäßigen Aktion die Ausrottung seiner Geisteskranken zu betreiben.« Das »Nicht-Wissen« seitens der Kirchen angesichts dieser Tatsachen ist eine unglaublich gottlose Zumutung.
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There were only few – attempts to resist
… One of them was County Court Judge Lother Kreyßig (1898-1986) … In contrast to all other judges and state prosecutors he denounced the euthanasia in a letter on 8 July 1940 … »the Führer’s word constitues no right« …
Protestant Landesbischof of Württemberg [head of regional church] Theophil Wurm (1899-1953) protested in July 1940 as the first German Bishop in a letter to the Reich Minster of Interior against the so called »euthanasia« program of the Nazis… In the Evangelical Church in Germany mainly one name is exemplary for civil courage and resistance: Pastor Paul Gerhard Braune (1887-1954).
… and at the same time he collected systematically all possible information about Action T4.
Those information formed the basis for a ten pages long »position paper on the situation of non-Aryan Christians« which aimed at Hitler in July 1940… At the end of the position paper he states: »It is a conscious and planned approach to exterminate all who are mentally ill or otherwise socially incompetent.«
Pastor Braune obviously still had the hope to be able to change this situation: »May those responsible ensure that these sinister measures will be lifted…«
Clemens von Galen (1878-1946), Bishop of Münster since 1933, had already before his episcopal consecration spoken out against Nazism and its racial theory and demanded that Catholic bishops would oppose the Nazi ideology.
… Berhard Lichtenberg (1875-1943) … After the Pogrom Night of 1938, which he publicly denounced as the only priest in Germany, […] prayed every Sunday for the persecuted equal of what faith at the Church of St. Hedwig. In August 1941, in response to the speech of [Clemens von Galen] he objected (in a letter to »Reich Health Leader« Conti) to the systematic murder of incurably ill and mentally or physically handicapped people.
Hospital chaplaincy – What did the churches knew?
There were in both Christian Churches … courageous individuals who resisted, and publicly acted according to their belief. But the churches as such … failed … miserably given the crimes perpetrated against the most vulnerable members of society.
Euthanasia killings and Catholic pastoral care at Wuhlgarten Dr. Bernhard Dalkmann
Was there Catholic pastoral care in Wuhlgarten? This question can clearly be affirmed. And what was the chaplain aware of? This question is not easily answered…
… he was only very rarely allowed to enter the converted hospital as from 1941 and only at request of a patient or resident. He knew »of the transfers of almost all epileptics«, however, he was convinced that Wuhlgarten then »had become a hospital along with a nursing home for old people.« … »Since the late spring of 1941 were familiar faces missing and increased the number of absentees. They spoke of transfers to other institutions, but no further information…« … »… because of the absence of several previous churchgoers« [altar boy Gerhard Wahlicht approached] his pastor. »Kurt Sahm [the pastor] named me only the official version: ›There were patient transfers because of expected aerial attacks on Berlin (capital of the Reich) to free bed for the wounded.‹ He advised me to be prudent. There was no exchange of ideas with others about it.« ...
The ›not-knowing‹ of the churches Dr. Thomas Beelitz
1 … as from 1945 both Churches campaigned in petitions and initiatives for »the continuation« (!) of pastoral care… But what did they specifically do before? The specific role of the churches on the spot so far is in fact alarmingly unknown! …
However, the not-knowing (wanting to know) may not be of such a surprise. In general and to this day, the churches principally keep distance to what is happening in hospitals …
2 Against the background of the Gleichschaltung [meaning ‘coordination’, ‘making the same’] of the Evangelical Churches … with the Nazi state, it is however suspicious … Similar to the »handover of power« to the »Führer« Adolf Hitler the »handover of belief« had occurred everywhere in the churches …
When the Nazi state felt strong enough, it changed its religious policy and withdrew from the parishes: They had fulfilled their utility…
3 … the unique euthanasia (killings) by fellow ministers with the help of their own religion. »Never had civilized people tried to operate the extermination of its mentally ill in such a planned action.« The »not-knowing« of the churches in the face of these facts is an incredibly unholy imposition.